Samstag, 15. April 2017

Klartraum- Geisteshaltungen und innere Motivation

Motivation: Der Grundpfeiler


Grundpfeiler in Ruinen
(Bildquelle: Diego Delso)
Die anfängliche Euphorie ist vorbei, man möchte weiterhin gerne Klarträumen, doch die Techniken, die man sporadisch versucht, bringen keinen dauerhaften Erfolg. Was ist schief gelaufen? Ich würde an dieser Stelle fragen: Was ist eigentlich deine Motivation zum Klarträumen? Die Motivation ist aus meiner Sicht der wichtigste Grundpfeiler für Klarträume und wird meist stiefmütterlich behandelt. Der Grund dafür ist einfach: Als Anfänger ist die Motivation ob der unendlich Möglichkeiten, die sich einem angesichts der vielen neuen Traumwelten auftun, schäumend. Dann braucht man sich nur noch um die Übungen zu kümmern und es läuft. Doch wenn die Motivation schwindet oder nur so dahindümpelt neben anderen, scheinbar wichtigeren Unternehmungen und Kopfgespenstern im Alltag, dann helfen die Übungen alleine auch nicht mehr viel.

Unter einer Motivation, die der Klarheit als Basis dient, verstehe ich nicht einfach die Tatsache, dass man genug Willenskraft aufbringt, um seine Übungen durchzuziehen. Ich verstehe darunter auch nicht einfach ein "ich hab ja eigentlich schon richtig Lust", denn im "Eigentlich"-Gefühl klafft ja bereits die Wunde der intrinsischen Motivation. Es geht daher vielmehr um die Frage, wieso man überhaupt Klarträumen will.

Über diese Frage sollte man nicht zu voreilig urteilen. Denn ich meine damit keine Frage, deren Antwort man sich einfach frei aussuchen könnte. Die Antwort darauf sollte nicht einmal nach Gründen bohren, sie sollte ketzerisch genug sein, um ein "ehrlich gesagt sind mir die Träume doch nicht so wichtig" zuzulassen. Die Frage sollte zunächst eine reine Erforschung sein, keine Entscheidung. Denn die entscheidende Instanz in uns ist sowieso meist nicht das rationale Wachbewusstsein, das uns die Illusion von Kontrolle im Alltag bringt. Wir handeln konsequent gegen alle unsere guten Vorsätze, sofern im Innern keine Resonanz zu ihnen besteht. Und oft lässt sich bei genauerer Überprüfung einer Entscheidung feststellen, dass wir sie im Grunde schon getroffen haben, bevor es uns bewusst war.

Versunkenes Steuer
(Bildquelle: Juha Flinkman)
Du bist, in dieser Geisteshaltung der Erforschung – eine der Klarheitsgeisteshaltungen, über die ich noch reden werde – zunächst nur ein Beobachter. Einer, der Klarheit in das Dunkel der tieferen Antriebe und Motive bringen kann. Erst durch diese Klarheit entsteht später das Gefühl der Handlungsmacht, der Freiheit. Aber zunächst geht es darum, sich selbst – seine verborgenen Wünsche und seine tieferen Gründe kennen zu lernen.


Herzenswünsche und Blockaden


Die Entspanntheit in dieser Herangehensweise drückt sich darin aus, dass es schon ok ist, wenn das Klarträumen z.B. eben nicht den höchsten Stellenwert hat. Es ist ok, weil es keine Instanz gibt, die darüber entscheidet, was dir wichtig ist, außer dir selbst. Und du selbst, das ist ein tiefer, meist verborgener See, und nicht das hastige Gedankenplappern, das immer direkt unzählige Dinge im Kopf hat, die angeblich wichtig sein sollen.

Ich würde es also so angehen, sich ganz unabhängig von Träumen erst einmal zu fragen, was ich denn im Leben will. Was ist mir wichtig? Welche Themen treiben mich um, was für Gefühle leiten meinen Tag? - Und dann auch meine Nacht. Was würde ich gern erleben? Was sind meine momentanen Baustellen und wie lange kann das so weiter gehen, dass ich sie ignoriere? So kann man die Träume mit den aktuell brisanten Angelegenheiten verbinden: Wie hängen eigentlich meine Träume mit meinen tiefsten Herzenswünschen zusammen?

Verwahrloste Wege
(Bildquelle: JanSuchy)
Denn die tiefsten Herzenswünsche, sobald man sie aufspürt, bringen die beste Motivation. In welche Richtung diese Motivation geht, d.h. wozu sie einen dann anspornen, was man genau tun will, um seine Wünsche zu erfüllen – das bleibt erstmal offen und es ist auch nicht zwingend, dass die Traumarbeit ein Teil davon sein wird. Aber die Klarträume haben hier ein großes Potenzial. Daher wäre die Frage: Wie kann mir die Klarheit bei der Erfüllung meiner Herzenswünsche helfen?
Es ist eine Illusion, zu glauben, man hätte irgendwann schon wieder mehr Zeit – wenn nur endlich diese Prüfung bestanden, diese Termine erledigt, diese Arbeiten nachgeholt wurden. Denn dann kommen neue Aufgaben. Die glorreiche Zeit des freien Stundenplans wird es nicht geben, die Zeit für Entspannung, für Lebensfreude und zur Selbstheilung wird nicht von selbst eintreten, man muss sie sich schaffen. Und zwar am besten direkt jetzt.

Die eigenen Motive zu ergründen heißt auch, Blockaden zu erforschen. Man könnte unter Blockaden hemmende Motive verstehen. Man sollte sich ernsthaft darauf einlassen, diese wahrzunehmen und ihnen auf den Grund zu gehen. Denn oft zeigen sie Fehlvorstellungen gegenüber den Träumen an, und sobald genug Licht in die Sache gekommen ist, könnte es passieren, dass man diese Fehlvorstellungen aufgibt. Sie können z.B. darin bestehen, die ganze Unternehmung als etwas stressiges, pflichthaftes, lebensfernes, alltagsfernes, anstrengendes und lästiges anzusehen. Dahinter stecken Glaubensbilder, überkritische innere Stimmen, vereinzelte schlechte Erfahrungen mit der Traumarbeit und auch langjährige Prägungen von Schuld- und Pflichtgefühlen in der Kindheit.

Blockierte Sicht
(Bildquelle: Tom Waterhouse)
Ein fataler Gedanke entsteht z.B. dann, wenn man nach stark motivierter Übung endlich einen Klartraum hatte. Er war vielleicht nicht grandios, aber es war ein Klartraum, immerhin. Und dann denkt man vielleicht, im Unbewussten: Das Klartraumkontingent ist nun ausgeschöpft. Nächste Woche, nächsten Monat oder so dann wieder. Aber warum nicht einfach direkt heute wieder? War das Ziel wirklich nur, einen Klartraum zu haben, so dass es bereits erfüllt und abgehakt wurde? Wieso nicht groß Träumen? Von Träumen, die mehr bringen, als Fliegen, Sex oder seltsame Antworten von Traumfiguren? Ohne Frage sind das auch grandiose Sachen, von denen man nicht schnell satt wird. Aber man muss seine Klarheit nicht sorgfältig aufsparen. Sie wird nicht einfach "verbraucht", wenn man einen Klartraum hatte.

Man sollte die vielen kleinen Dinge als Erfolge würdigen. Sei es eine gute Traumerinnerung oder ein kurzer klarer Moment, sei es eine interessante Traumbegebenheit oder eine bewusste Hypnagogie oder auch das Traumgefühl kurz im Alltag – das sind alles Erfolge, und wenn man sie wertschätzt, dann kumulieren sie in einem positiven Gefühl. In dem Gefühl: Da ist noch mehr drin. Ich wachse. Ich bin lebendig. Mein Ziel ist daher nicht, einen Klartraum zu haben. Sondern eine langfristig angelegte Klarheit, im Wachen, im Schlaf, im Zwischenzustand. Eine Fähigkeit, das Leben zu genießen, vieles zu erforschen und es und zum Besseren zu wandeln. Wär doch geil, wieso nicht?


Lucid Living als Selbstzweck


Klarheit als Abenteuer
(Bildquelle: Unsplash)
So werden auch Erfolge und Misserfolge relativiert. Dann sind Übungen nicht einfach nur dazu da, einen Klartraum zu erreichen, sondern sie haben auch einen Selbstzweck. Denn wie kann es sein, dass man für das Klarträumen Techniken durchackern muss; dass man für eine Sache, die so viel Freiheit und Kreativität entfesseln kann, so unfreie und gezwungene Übungen machen soll? Lucid Living entthront das Klarträumen, insofern dass die ganzen Übungen am Tag und in den Zwischenzuständen: – das Erforschen von Hypnagogien, das Experimentieren mit dem Schlafrhythmus, das Erinnern an Träume, das Ergründen der Realität, die Achtsamkeit auf die Wahrnehmung – zu einem Selbstzweck werden, der begeistert. Das ist nämlich eigentlich das große Geschenk, das die Idee des Klarträumens jedem geben kann, ganz unabhängig davon wie oft man wirklich Klarträume erlangt und wie viele seiner Ziele man darin umsetzt.

Ich empfehle daher, sich nur an solche Übungen zu halten, die interessant sind, die beflügeln, die letztendlich gar nicht als "Techniken" wahrgenommen werden, die nur einer Sache dienen, sondern bei deren Ausführung selbst man schon das Gefühl hat, dass es einem etwas bringt. Und was Spaß macht und beflügelt, hängt auch davon ab, was einen gerade zur Zeit so beschäftigt. D.h., diese Übungen müssen ständig an den Lebensalltag wieder angepasst und in diesen eingebaut werden, damit sie auch zum Leben dazu gehören und mehr als tote Trockenübungen sind.

Wieso sollte man Hobbys haben, die einen stressen, wieso selbst in der Freizeit sich mit Pflichtbewusstsein und Deadlines den ganzen Spaß verderben? Der Impact des Klarträumens geschieht jedenfalls eher dann, wenn die Klarheit auf die übrigen Lebensbereiche überschwappt. Dadurch ist man auch erst wirklich bewusst und lebendig, so dass diese geistige Freiheit und die Beschäftigung mit den Herzensangelegenheiten sich früher oder später auch in die Träume inkubiert.


Die Geisteshaltungen


Wenn ich mich frage, wie mir die Klarheit im Leben unterstützend zur Seite stehen kann, dann denke ich gern nicht nur an spezielle Wünsche, sondern an grundsätzliche Klarheitsgeisteshaltungen. Das sind diejenigen geistigen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die man in einem sehr klaren und eindrucksvollen Traum auslebt oder gern ausleben möchte. Und warum nicht auch im Wachleben kultivieren?

Sicherlich verbindet jede mit der Traumklarheit ganz eigene Visionen und Gefühle. So wäre es am besten, wenn du als geneigte Leserin dir selbst eine Übersicht darüber bastelst. Doch zur Anregung, hier meine Vorstellung von dem, was in Klarträumen generell oft gefragt wird und was sich für mich persönlich sehr motivierend anfühlt.

Klarheitsgeisteshaltungen zum Kultivieren:
Die Macht aus der Tiefe
(Bildquelle: Iquiz)


  • Freiheit erleben
  • Reichtum des Erlebens
  • Verbundenheit mit der Welt
  • Erkunden der Welt
  • Inspiration erlangen
  • die Tiefen erforschen
  • sich selbst beistehen
  • sich von schädlichen Mustern erlösen
  • Veränderungen im Leben bewirken
  • Wärme empfinden
  • Erfüllung und Sinnhaftigkeit erfahren
  • Zugang zur Intuition gewinnen
  • das große Ganze sehen
  • usw.

Solche allgemeinen Eigenschaften kann man natürlich auch mit konkreten Vorhaben kombinieren. Aber es ist gut, wenn sie nicht zu speziell sind. Man kann sich z.B. überlegen, welche Orte man im Traum gerne öfter mal erkunden würde, weil sie symbolisch zu den Themen passen, die einen gerade bewegen. Wenn man dann im Klartraum doch woanders startet, oder wenn der Gedanke an das konkrete Ziel einen gerade nicht so packt, wendet man sich einfach einer der allgemeineren Geisteshaltungen zu. Und wenn man gerade gar nicht träumt - dann kann man sie trotzdem umsetzen.


Fazit


Ohne Motivation geht gar nichts. Aber die eigene Motivation kann man nicht erzwingen, nur seine Herzenswünsche erforschen und sich von falschen Glaubenssätzen befreien, die demotivieren. Die Übungen die man ausübt, sollten auch als Selbstzweck schon cool sein und der Spaß nicht davon abhängen, ob man einen Klartraum erlangt. Wenn man so vorgeht, kann man die Geisteshaltungen der Klarheit tagsüber und nachts im ganzen Leben etablieren und es wird eine langfristige, spannende Reise, mit immer neuen Erfolgen und Wandlungen. Man sollte nicht warten, bis das Leben einem den Freiraum dazu gibt, man sollte die Traumziele und Bewusstseinsübungen mit dem Lebensalltag abstimmen und die Klarheit hineinweben.